Weiter geht es in unserer Interview-Reihe: Für die Oktober-Ausgabe hat MORITZ beim Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold (CDU), vorbeigeschaut. Im Gespräch mit Redaktionsleiter Dr. Riccardo Terrasi berichtet er, warum gesellschaftlicher Zusammenhalt so wichtig ist, warum er den Gmünder Weg in der Flüchtlingspolitik für richtig hält und was ihn selbst mit Bud Spencer verbindet.
Herr Arnold, wenn Sie auf die vergangenen 13 Jahre als Oberbürgermeister zurückblicken: Was waren die Highlights?
Das ist eine lange Zeit (lacht). Ein Highlight war die Landesgartenschau 2014. Gartenschauen waren in jener Zeit in der Krise, sie wurden belächelt und man stellte die Frage: Wer braucht das schon? Aber ich wollte eine Gartenschau machen, die sich anders versteht. Eine, dich nicht nur die Basics abarbeitet – Pflanzen, Blumen und Büsche. Ich wollte daraus eine kleine Expo machen, ein Forum, um laufend neue Dinge vorstellen zu können. Außerdem wollte ich eine »Bürgerschau«, bei der die Bürgerinnen und Bürger das Heft selbst in der Hand haben. Das war ein Abenteuer, aber es hat sich gelohnt. Die Gartenschau wurde zu einem emotionalen Ereignis: Die Bürgerinnen und Bürger haben sich selbst als Gastgeber gesehen – sie waren stolz auf ihre Stadt und wollten sie präsentieren.
Auch die Staufersaga, die erstmals im Jubiläumsjahr 2012 stattfand, ist ein Megading gewesen, mit 1500 Akteuren und nochmal so vielen weiteren Mitwirkenden. Und während der Landesgartenschau ist dieser Funke zu einem lodernden Feuer geworden: Ich habe damals gespürt, dass die Bürgerinnen und Bürger von Schwäbisch Gmünd gehungert haben nach Emotionen und nach einer Identifikation mit ihrer Stadt.
Weitere Highlights waren auch die Wiedereinführung des GP-Kennzeichens und natürlich die Benennung des Freibads nach Bud Spencer (lacht).
Schwäbisch Gmünd hat ja eine besondere Beziehung zu diesem Schauspieler.
Ja. Bud Spencer war in den 50er Jahren – damals noch unter seinem bürgerlichen Namen Carlo Pedersoli – als Profischwimmer hier im Schießtal-Bad. Etwa 60 Jahre später, 2011, wurde in Gmünd der neue B-29-Tunnel eingeweiht. Und in der Zeit öffnete sich das Verkehrsministerium, indem es erlaubte, ein Bauwerk des Bundes vor Ort durch die Bürgerinnen und Bürger zu benamsen. Wir wollten damals modern sein und fragten über die sozialen Medien nach, wie man den Tunnel nennen könnte. Es beteiligten sich Unmengen an Menschen, auch aus dem Ausland – sie wollten alle den Tunnel nach Bud Spencer benennen. Dieser hatte kurz zuvor seine Memoiren veröffentlicht. Es haben sich Leute aus Kalifornien, Schulen aus Australien und Neuseeland beteiligt und gevotet für Bud Spencer. Da stellte sich im Gemeinderat die Frage: Können wir dem nachgeben? Sollte die Entscheidung nicht eigentlich von den Leuten hier vor Ort getroffen werden?
Am Ende hatten wir eine andere Idee: Warum benennen wir nicht das Schwimmbad nach Bud Spencer, wo er damals Rekorde geschwommen ist? Uns kam zu Hilfe, dass gerade ein regionales Kamerateam in Rom bei Bud Spencer war, um ihn wegen seiner Memoiren zu interviewen. Über das Team haben wir Bud Spencer den Vorschlag gemacht, das Gmünder Bad nach ihm zu benennen und angemerkt, dass auch der Tunnel im Gespräch sei. Aber er antwortete: »Das Bad! «
Zur anschließenden Gemeinderatssitzung, in der die Entscheidung für den Namen »Bud-Spencer-Bad« getroffen wurde, kamen über 80 Medienvertreter, etwa vom Corriere della Sera oder der Tokio Times. Die ganze Sitzung wurde öffentlich im Internet übertragen – das war ganz neu zu der Zeit und sehr aufregend für alle. Bud Spencer ist 2011 extra zur Umbenennung des Freibads nach Schwäbisch Gmünd gekommen – das war natürlich ein Highlight!
Was hat Sie in den vergangenen Jahren besonders herausgefordert?
Eine ständige Herausforderung ist es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren. Der Zusammenhalt ist eine Aufgabe, die etwa seit den letzten 20 Jahren immer mehr in den Vordergrund gerückt ist. Inzwischen haben wir in Schwäbisch Gmünd Menschen mit 130 unterschiedlichen Nationalitäten. Zusammenhalt ist nur möglich, wenn wir uns bewusst machen, was unser Selbstverständnis ist. Wenn wir eine offene Gesellschaft bleiben wollen, müssen wir klar sagen, was wir wollen und was wir einfordern. Gerade unter den Geflüchteten von 2015/16 kamen vorwiegend junge Männer ins Land, die ganz andere Vorstellungen von der Funktionsweise einer Gesellschaft hatten, als das bei uns der Fall ist. Wir müssen klar sagen: Hier gilt beispielsweise nicht das Recht des Stärkeren, nicht die körperliche Gewalt. Hier geht es um argumentative Auseinandersetzungen. Wir sind eine demokratische Gesellschaft.
Auch während Corona wurde der gesellschaftliche Zusammenhalt auf die Probe gestellt. Es gingen Risse durch die Gesellschaft, wobei auch die sozialen Medien eine Rolle spielten, man denke nur an die Verschwörungstheorien, die die Gesellschaft gespalten haben. Die Herausforderung, die Gesellschaft zusammenzuhalten, wächst auch jetzt durch die steigende Inflation. Was wir jetzt brauchen, ist bezahlbare Energie. Und wir brauchen Zuversicht und eine Antwort auf die Frage: Wo führt dieser Weg hin?
Das Thema Energieeinsparung nehmen wir sehr ernst: Wir haben als Stadtverwaltung aktuell ungefähr fünf Millionen Euro mehr an Energiekosten. Und wir müssen jetzt da einsparen, wo wirklich ein Effekt erzielt wird, etwa bei der Beheizung von Hallenbad, Sporthallen und öffentlichen Gebäuden. Da werden wir 15 bis 20 Prozent einsparen, was ja der Vorgabe durch die Verordnungen entspricht. Und das schaffen wir.
Was Gmünd auch einige Schlagzeilen beschert hat, war der Gmünder Weg in der Flüchtlingspolitik. Wie würden Sie diesen beschreiben?
Meine Herangehensweise war einfach, und das entspricht auch eigentlich ganz dem christlichen Ansatz, ist also auch im Kern CDU-Politik. Im Mittelpunkt steht der Mensch, mit allen Fähigkeiten und Talenten. Und wenn die alle was können, dann muss man Angebote machen. Damit schafft man Anreize und da lassen sie sich drauf ein. Auf diese Art und Weise integrieren sie sich und tragen zur Gesellschaft bei. Und das hat funktioniert. Damals durften Geflohene nicht arbeiten und wurden vor den Toren der Stadt, in alten Kasernen, untergebracht. Der Gmünder Weg umfasste fünf Elemente: Sprache Lernen, ehrenamtliches Engagement, das Hineinschnuppern in einen Betrieb, dort eine Ausbildung machen und eine Wohnung bekommen. Das alles zusammengenommen war und ist heute noch ein sehr erfolgreicher Weg. Viele der Geflüchteten von 2015/16 haben eine Ausbildung abgeschlossen und sind berufstätig. Aus der Ukraine haben wir 930 Menschen aufgenommen, alle noch in privaten Unterkünften und nicht etwa in Turnhallen. Das hat alles sehr gut geklappt. Nach wie vor werden auch Ortskräfte aus Afghanistan ausgeflogen, die wir auch in Schwäbisch Gmünd aufnehmen. Den Geflohenen bieten wir den Gmünder Weg an, und wenn sie sich darauf einlassen, werden sie auch gefördert, beispielsweise durch Sprachkurse. Diejenigen, die zeigen, dass sie sich integrieren, sollen nicht länger wie Flüchtlinge behandelt werden, sondern auf ihrem Weg der Integration weiter gefördert werden. Der Gmünder Weg ist ein Weg des Gebens und Nehmens. Er ist keine Sackgasse. Es ist ein Weg der kontrollierten Einwanderung. Das deutsche Einwanderungsrecht basiert immer noch sehr stark auf Abweisung und ist erst jetzt dabei – durch neue Vorschläge, neue Gedanken – zu einer wirklichen Einwanderungspolitik zu werden.
Wie wappnet sich Schwäbisch Gmünd für eine drohende Gasknappheit im Winter?
Das, was dann wirklich stattfindet, können wir eigentlich gar nicht genau vorhersehen. Die Kommune muss so viel Flexibilität und so viele Instrumente bereithalten, um spontan das Richtige zu tun. Ich habe bereits auf die Energieeinsparungen hingewiesen. Eine unserer Arbeitsgruppen kümmert sich aber auch um die erneuerbaren Energien. In Mutlangen haben wir das zweitgrößte Solarfeld Baden-Württembergs. Wir haben die Bürgerenergiegenossenschaft Stauferland gegründet, die den Solarpark zur Hälfte finanziert. Auch auf dem Gügling haben wir ein großes Solarfeld errichtet. Bei den Windrädern müssen wir noch stärker werden, da werden wir nicht drum herumkommen. Die Genehmigungsverfahren sind bekanntlich sehr umfangreich und zeitaufwändig.
Was haben Sie sich für Schwäbisch Gmünd in den nächsten Jahren vorgenommen?
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sowie Klimaanpassung. Das Thema der Klimaanpassung ist ein sehr herausforderndes, weil es nicht ohne ausreichende Finanzen geht und weil es den guten Willen der gesamten Bevölkerung braucht. Auch da kommt wieder der gesellschaftliche Zusammenhalt zum Tragen. Die Klimaanpassungsmaßnahmen müssen Bürgersache werden. Und dann wird es was. Nicht über Verbote, sondern durch Anreize. In meiner Zeit in Brüssel habe ich gesehen, wie man mehr Grün in die Stadt holen kann – Inseln, die den Autoverkehr etwas unterbrechen. Auch wir werden das machen. Wir haben schon während Corona mit der Schmiedgasse angefangen. Und vor dem Schmiedturm werden wir einen kleinen Wald errichten, um so eine Unterbrechung zu schaffen.
Im Oktober findet das internationale Schattentheater-Festival statt. Was zeichnet diese Veranstaltung aus?
Schwäbisch Gmünd hat mit dem Schattentheater ein Alleinstellungsmerkmal. Diese Kulturveranstaltung ist nicht vom Rathaus verordnet, sondern in der Bürgerschaft ganz langsam gewachsen. Dieses Schattentheater-Festival bringt Leute aus der ganzen Welt zusammen. Es ist eine Kunst, die ganz speziell ist, aber unglaublich ans Herz geht. Mit dieser Technik kannst du unglaublich viel darstellen – dafür bräuchte man in anderen Präsentationsformen sehr viel an Ressourcen, Geld und Manpower. Das kann man hier auf ganz andere Art und Weise sehr liebevoll im Kleinen bringen. Ganze Opern oder Geschichten, aber auch Geschichte. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf Europa. Und ich kann nur allen empfehlen zu kommen. Riccardo Terrasi