Foto: Alexander Steinle
southside 2015
Wer war im vergangenen Jahr auf dem Southside Festival? Quizfrage: Was stimmte da nicht? Richtig: das Wetter. Sommerliche Temperaturen, Sonne am Himmel, kaum Wolken und erst recht kein Regen. Mal ehrlich, irgendwie passt das doch nicht zu diesem Festival. Dieses Jahr war (zum Glück?) wieder alles wie (fast) immer. Die ersten Ankömmlinge bekamen schon am Donnerstag einen Vorgeschmack auf das, was in den nächsten drei Festival-Tagen folgen sollte: Alles, was man von Southside erwarten kann.
Steht das Line-up und das Timetable, geht der nächste bange Blick der Festivalbesucher auf die Wettervorhersage. Und es war recht früh klar, dass dieses Wochenende nicht viel mit Sommer zu tun haben wird. Also Gummistiefel und Regenjacken einpacken. Der Vorfreude tut das Wetter beim Southside schon lange keinen Abbruch. Im Gegenteil, die meisten freuen sich auf Schlamm und Matsch. Ein Mal im Jahr durchdrehen – das wird ja wohl erlaubt sein. Und so wunderte es auch niemanden, dass bereits am Donnerstag die Stimmung auf den Zeltplätzen geradezu überschwänglich war, trotz Regen. Flunkyball im Matsch? Gibt es auf einem Festival etwas Besseres? Der Freitag zeigte sich hingegen gnädig mit denjenigen, die dann doch eher von der „trockeneren“ Sorte sind. Mit dem offiziellen Festival-Beginn zeigte sich die Sonne auf dem Gelände und erwärmte die Herzen der durchgefeierten Meute. A propos Wärme: Wer sich an diesem Wochenende wärmen wollte, dem blieben eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder man hüllte sich von oben bis unten in Winterklamotten oder man begab sich inmitten der Menge vor den vier Bühnen. Sonst lief man Gefahr, bei teilweise einstelligen Temperaturen nachts gut durchzufrieren. Denn die nächsten Tage, gerade der Samstag, sparten nicht mit Regen. Aber wie bereits erwähnt, wer ein richtiger Southsidler ist, der weiß damit umzugehen. Da nimmt man jeden Tropfen auch mal zum Anlass, um noch härter abzufeiern.
Wobei wir bei den Festivalbesuchern wären. Es gibt wohl kein anderes Festival in Deutschland, bei dem der Kreativität in Sachen Kostüme weniger Grenzen gesetzt sind als in Neuhausen ob Eck. Kerle in Schulmädchenuniformen, Einhorn-Leggins, Morphsuits, Schlips- und Anzugträger, aufblasbare Tiere um die Hüften, ein Pärchen mit überdimensionalen Köpfen und einem Hund an der Leine …. und, und, und (es wurden nur von den Pikachu-Overalls weit über zehn gezählt und es gab noch ganz andere Tiere und Wesen zu bestaunen) – alleine das Publikum ist auf dem Southside ein Highlight für sich. Ob auf dem Zeltplatz oder auf dem Gelände, selbst wenn man alleine auf diesem Festival landet, bleibt man es nie (wenn man es nicht ausdrücklich will). Es ist eine einzige große Familie, die einfach nur abfeiern will. Dabei zeigt sich im Vergleich zu vielen anderen Festivals, dass das Southside soetwas wie das Nachwuchs-Mekka der Festivalgänger ist. Unzählige Abi-Shirts aus den Jahren 2015 und 2014 zeugten vom relativ jungen Altersdurchschnitt der Besucher. Aber die Jugend versteht es zu feiern. Und oft genug – und je nach Alkoholpegel – ist es denen sogar scheinbar egal, wer da auf der Bühne steht.
Was das Line-up angeht, hatte das diesjährige Festival wie üblich reichlich Abwechslung zu bieten. Von hart bis zart war alles dabei. Und auch wenn man die eine oder andere kritische Stimme vernahm, dies sei das schwächste Line-up der vergangenen Jahre gewesen, muss man den Machern attestieren, dass sie in diesem von Festivals überladenem Sommer immer noch Bands verpflichtet haben, die ein sehr breites Spektrum abdecken. Musikalisch waren die Bands durch die Bank top. Über Musikgeschmäcker lässt sich zwar streiten. Aber man kann keiner der Bands und keinem der Künstler, ob es jetzt „Skinny Lister“ als Opener der Blue Stage am Freitag oder einer der Headliner war, absprechen, sie hätten lustlos agiert. Im Gegenteil, man merkte allen den Spaß an. Dass „Florence + The Machine“ (Freitag-Headliner) jetzt nicht unbedingt die große Abriss-Party feiern würden, sollte allen, die sich darüber beschwert haben, im Vorfeld klargewesen sein. Auch bei "Placebo" am Samstag stand eher die Melancholie im Vordergrund. Wogegen Farin Urlaub tags darauf einfach nur Spaß verbreitete. Es ist müßig, jetzt alle Künstler und Bands aufzuzählen. Es waren einfach sehr viele. Wobei man hier gerne ein ganz persönliches Highlight des Autors hervorheben darf: Als Noel Gallagher mit seinen "High Flying Birds" den Oasis-Klassiker "Don't look back in anger" als Abschluss seines Gigs auftischte. Wer auf Abrisse steht, kam dafür beim letzten Act am Sonntag, Marteria, voll auf seine Kosten. Er hat wahrlich alles zerlegt, was nicht niet- und nagelfest war. Kritik seitens der Besucher hat zwar immer eine gewisse Daseinsberechtigung, es allen recht kann man nunmal nie machen. Aber man sollte in dem Fall mit Kritik etwas sparsamer umgehen. Außer vielleicht in einem Punkt: Dass Casper am Samstag nur auf die kleine Red Stage im Zelt gelegt wurde und dieses erwartungsgemäß schnell überfüllt war und dadurch viele Fans ihren Liebling verpassten, war – vorsichtig ausgedrückt – eher unglücklich. Der Unmut einiger Besucher vor dem Zelt zeugte jedenfalls davon. Doch unterm Strich bleibt doch immer noch die eine Frage: Mal ehrlich, wer von euch hatte an diesen drei Tagen keinen Spaß? Denn darum geht es schließlich auf diesem Festival. Und das Gros der Besucher wird auch vom 24. bis 26. Juni 2016 wieder den Weg nach Neuhausen ob Eck finden, wenn es wieder heißt „Southside, was geeeeeeht?!“