Fachanwlt für Arbeitsrecht Bernd Uwe Setzler & Redakteurin Helen Gerstner
Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer und welche hat der Arbeitgeber? Und wie ist das eigentlich mit Facebook, Whats App und Co. während der Arbeitszeit geregelt? MORITZ Redakteurin Helen Gerstner hat mit Bernd-Uwe Sätzler gesprochen, der seit über 25 Jahren in der Anwaltskanzlei Pfefferle Helberg & Partner als Fachanwalt für Arbeitsrecht tätig ist.
Welches sind in der Praxis die häufigsten Kündigungsgründe?
Acht von zehn Arbeitsrechtfällen beschäftigen sich bei uns mit dem Thema Kündigung. Kündigungen seitens der Arbeitnehmer gibt es eher selten; Rechtsfverfahren kommen kommen dann zustande, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise seine Kündigungsfrist nicht einhält, wenn er also vertragswidrig, meistens mit zu kurzer Frist, gekündigt hat. Nach unserer Erfahrung sind die häufigsten Kündigungsgründe seitens der Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen. Hier spielen fast immer Einflüsse die von außen wie Umsatzrückgang, Umstrukturierungen, Outsourcing oder die Umgestaltung von Arbeitsplätzen eine Rolle. Der Arbeitsplatz fällt dabei weg, wobei ein Arbeitnehmerüberhang entsteht, der natürlich angepasst werden muss in dem betriebsbedingt gekündigt wird. Hierbei kann nur fristgerecht gekündigt werden, also entweder mit der vertraglich vereinbarten, der gesetzlichen oder der tariflich geregelten Frist. Die Zweithäufigste ist aus meiner Sicht die krankheitsbedingte Kündigung. Auch die sogenannte verhaltensbedingte Kündigung gibt es oft. Der Arbeitnehmer verhält sich aus Sicht des Arbeitgebers nicht vertragsgerecht und kommt zum Beispiel immer zu spät. Voraussetzung in diesen Fällen ist aber immer die Abmahnung.
»Das Wesen der Abmahnung ist die Androhung der Kündigung«
Stichwort Abmahnung: Wie gefährlich sind Abmahnungen?
Im Arbeitsrecht ist es ein bisschen wie im Fußball: Ich muss dem Spieler erst mal die Gelbe Karte zeigen, bevor ich ihn vom Platz stelle. So ähnlich muss man auch die Abmahnung verstehen. Sie ist ein Warnhinweis, mit der man ein vertragswidriges Verhalten mit einem konkreten Sachverhalt rügt. Das Wesen der Abmahnung ist die Androhung der Kündigung – so wie die Gelbe Karte im Fußball. Man hat gefoult, also bekommt man Gelb. Bei einem erneuten Foul muss man vom Platz. Hält sich der Arbeitnehmer nicht an die Vorschriften und kommt trotz Abmahnung zum Beispiel erneut zu spät, wird der Arbeitnehmer irgendwann die Kündigung aussprechen.
Gibt es eine Faustregel, ab wie vielen Abmahnungen die Kündigung ausgesprochen werden darf?
Nach der Rechtsdogmatik genügt wie im Fußball eine Gelbe Karte und das nächste Foul gibt Gelb-Rot. Ein Verstoß, und dann ist für eine Kündigung die Voraussetzung, dass im Kern derselbe Verstoß noch einmal begangen wird.
Zur Frage wie viele Abmahnungen benötigt werden: Im Grunde reicht ein Vorwurf, es muss aber auch verhältnismäßig sein. Häufig spielt es eine Rolle, ob man noch in der Probezeit ist, oder schon seit 20 Jahren im Betrieb arbeitet.
Was würden Sie dann Arbeitnehmern empfehlen, die eine Abmahnung bekommen haben?
Bei Abmahnungen hat man drei Optionen: Zum einen kann man die Abmahnung akzeptieren. Das hat einen Vorteil, denn was mit einer Abmahnung abgemahnt wurde, ist als Kündigungsgrund zunächst verbraucht. Der Arbeitgeber kann es sich also nicht anders überlegen und die Abmahnung upgraden und die Kündigung aussprechen. Bei der zweiten Option kann man alleine oder mithilfe seines Anwalts eine Gegendarstellung schreiben und Stellung zur Abmahnung nehmen. Der Arbeitnehmer nimmt diese Gegendarstellung dann mit in die Personalakte, womit der Fall erledigt ist. Die dritte Möglichkeit ist die Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Doch jeder Prozess hat ein Prozessrisiko und das Verhältnis zum Arbeitgeber wäre stark geschädigt, daher empfehle ich den Schritt eher selten. Und das Gericht prüft bei einer Kündigung als Vorstufe sowieso, ob die Abmahnung überhaupt gerechtfertigt ist. Man hat also zunächst eigentlich keinen zwingenden Grund gegen die Abmahnung vorzugehen.
»Der Betrieb ist ein kleiner Mikrokosmos«
Facebook, Zigarettenpause, kurz eine Whats App Nachricht schreiben – was ist während der Arbeitszeit zulässig und wann begeht man Arbeitszeitbetrug?
Die neuen Medien stellen die Gesellschaft – ein Betrieb ist im Grunde ja ein kleiner Mikrokosmos – vor ungeahnte Herausforderungen. Bis die meisten Betriebe das Problem erkannt hatten, hatte sich alles schon ein bisschen eingeschlichen.
Viele Arbeitgeber sagen nichts, wenn die Arbeitnehmer ab und zu mal auf das Handy schauen. Bei Arbeitnehmern, die mit Betriebsmitteln wie dem Internet oder der Geschäfts-E-Mail private Dinge erledigen, kommt häufig auch die Datenschutzproblematik ins Spiel. Es ist immer schwierig zu urteilen, was zulässig ist und was nicht und wo die unzulässige Überwachung der Mitarbeiter anfängt, um den Arbeitszeitbetrug beispielsweise zu belegen.
Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes
Wie sind die Pausenzeiten im Arbeitszeitgesetz geregelt?
Das Arbeitszeitgesetz gibt die Pausenregelungen vor. Bei einem Acht-Stunden-Tag sind 30 Minuten Pause und bei neun Stunden 45 Minuten Pause vorgegeben, wobei der Arbeitnehmer diese auch in 15 Minuten-Schritte einteilen kann. Die Höchstarbeitszeit von 10 Stunden pro Tag darf aber trotz der Pausen nicht überzogen werden. Der Gesetzgeber geht von acht Stunden am Tag aus, wenn dann mal zehn Stunden gearbeitet wurde, müssen diese Überstunden binnen eines halben Jahres wieder abgebaut werden.
Nach Feierabend klingelt das Handy: Die Nummer kennt man, es ist die Arbeit. Ist man als Arbeitnehmer dazu verpflichtet ran zu gehen?
Wenn der Arbeitnehmer bereits zehn Stunden gearbeitet hat, wäre er im rechtlich sicheren Bereich, wenn er nicht ran geht. Wenn man aber nur acht Stunden gearbeitet hat, könnte der Chef Überzeit anordnen, sollte eine betriebliche Notlage bestehen. Diese Anordnung von Überstunden ist aber immer nur dann zulässig, wenn er die Situation vorher nicht planen oder anderweitig abwenden konnte.
Darf der Arbeitnehmer einen Anwalt zum Personalgespräch mitbringen?
Das Gespräch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber betrifft den höchstpersönlichen Bereich, der Arbeitgeber kann daher in der Tat sagen, dass der Anwalt als Betriebsfremder nicht am Gespräch teilnehmen darf. Anders ist es bei einer Anhörung vor Ausspruch einer fristlosen Verdachtskündigung. Hier bekommt der Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Stellungsnahme und darf seinen Anwalt mit hinzuziehen.
»Azubis haben einen besonderen Kündigungsschutz«
Für Azubis gelten schärfere Rechte.
Ja, hier wirkt das Jugendarbeitsschutzgesetz. Minderjährige haben eine etwas günstigere Pausenreglung, eine andere Arbeitszeitregelung insbesondere an Tagen, an denen sie noch Berufsschule haben. Sie dürfen außerdem nur maximal 40 Stunden in der Woche beschäftigt werden, Überstundenanordnungen gehen also nicht. Der Azubi hat auch einen besonderen Kündigungsschutz. Die Probezeit beträgt bei Auszubildenden maximal vier Monate, in dieser Zeit kann sowohl der Azubi als auch der Ausbilder das Arbeitsverhältnis beenden. Nach der Probezeit kann der Azubi mit vier Wochen Frist immer kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben will. Der Arbeitgeber kann nach Ablauf der Probezeit nur noch mit dem sogenannten »Wichtigen Grund« kündigen. Er braucht also einen schwerwiegenden Grund um den Azubi entlassen zu können. Eine normale fristgerechte Kündigung ist also seitens des Arbeitgebers nach der Probezeit nicht mehr möglich. Der Klassiker bei Kündigungen von Azubis ist schwänzen der Berufsschule.
Darf der Arbeitnehmer einen Anwalt zum Personalgespräch mitbringen?
Das Gespräch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber betrifft den höchstpersönlichen Bereich, der Arbeitgeber kann daher in der Tat sagen, dass der Anwalt als Betriebsfremder nicht am Gespräch teilnehmen darf. Anders ist es bei einer Anhörung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Hier bekommt der Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Stellungsnahme und darf seinen Anwalt mit hinzuziehen.
Hat der Arbeitnehmer das Recht, über seine Kleidung, Frisur und Schmuck nach eigenem Gefallen zu entscheiden, oder darf der Arbeitgeber gewisse Regeln vorgeben?
Hier lautet das Stichwort »Betriebsüblichkeit«. In vielen Branchen hat man einen gewissen Kleidungsanspruch. Hier kann sich der Chef durchaus die Freiheit rausnehemen und seine Mitarbeiter dazu auffordern zum Beispiel nicht bauchfrei oder mit einem orangefrabenen Irokesen zur Arbeit zu kommen. Es ist ein Wechselspiel zwischen persönlicher Freiheit und den betrieblichen belangen und Anforderungen. Es gibt natürlich auch Betriebe die Sichehreitsbestimmungen hinsichtlich der Kleiderordnung haben, diese müssen selbstverständlich eingehalten werden. Ein bauarbeiter wird es vor Gericht nicht durchsetzen können, dass er mit Flip Flops arbeitet. Eine weitere Besonderheit gibt es häufig bei Franchise Unternehmen. Hier ist es oft vertraglich geregelt, dass die Mitarbeiter bestimmte Kleidung tragen müssen, die der Corporate Identity dienen.
Wenn es gerade keine Arbeit zu erledigen gibt: Darf der Arbeitnehmer heimgeschickt werden, wenn er dann Minusstunden macht?
Hier gilt der Grundsatz der Betriebsrisikolehre der sagt, dass das Risiko, das keine Arbeit da ist, das Risiko des Arbeitgebers ist. Wenn man keine explizite Regelung dafür hat, muss die Arbeitszeit vergütet werden, da der Arbeitnehmer arbeitswillig war. Er war an seinem Arbeitspslplatz und behält seinen Lohnanspruch, das nennt man Annahmeverzug oder Lohn ohne Arbeit.