Foto: Red Bull Media House
Flying Bach
Mit ihrer einzigartigen und innovativen Übersetzung von Bachs »Wohltemperiertem Klavier« in Breakdance-Moves sprengen die Flying Steps die Grenzen zwischen Hoch- und Jugendkultur – mit Headspins, Powermoves, Freeses und einer eigenen Geschichte. Jetzt ist die Show in leicht überarbeiteter Form zurück in Stuttgart.
Jeder, der schon mal ernsthaft in Erwägung gezogen hat, Klavier zu spielen oder der mehr oder weniger klassikinteressierte Verwandte im Haus hat, kennt Bachs »Wohltemperiertes Klavier«. Die weltbekannte »Sammlung von Präludien und Fugen für ein Tasteninstrument«, wie es ganz offiziell heißt, ist zwar nicht unbedingt die Krönung im Wirken Johann Sebastian Bachs, aber eben eines dieser Stücke, die man kennen muss, um bei »Wer wird Millionär« nicht vor der 16.000-Euro-Frage zu scheitern. Für viele Kids ist es aber vor allem immer noch eines: Ein langweiliges Stück klassische Musik.
Bach mit zackigen Beats unterlegt
Für die Tänzer der Flying-Steps-Crew aus Berlin war es das auch. Das geben sie im Interview offen zu: »Wir kennen uns alle nicht besonders gut mit klassischer Musik aus«, so Michael Rosemann. Rosemann ist einer von vielen Flying-Steps-Tänzern, die trotz fehlender klassischer Musikexpertise 2010 ein Wunder vollbrachten: Ihre Show »Flying Bach« machte aus dem »wohltemperierten Klavier« eine atemberaubende Tanzshow zwischen Breakdance, HipHop und Freestyle – die Klänge des altehrwürdigen Johann Sebastian wurden urplötzlich mit zackigen Beats unterlegt, elektronisch aufgepeppt, in Sachen Dramatik und Verve ordentlich gepimpt.
Mit gewaltigem Erfolg: Die Generation Kanye West saß neben ergrauten Klassikkennern gefesselt auf ihren Sitzen, als die Tänzer zu Bachs virtuosem Tastenspiel wie entfesselt über die Bühne wirbelten.
Seither sind fünf Jahre vergangen, man hat »Flying Bach« weltweit vor vollen Hallen aufgeführt und bringt es jetzt zum wiederholten Mal nach Stuttgart. »Natürlich nehmen wir ständig Veränderungen an der Show vor, wenn wir merken, dass eine Stelle nicht so rund läuft oder wir eine neue Idee haben«, sagt Rosemann. »Im Grunde ist es aber noch dieselbe Show.« Und warum auch nicht? Die Verbindung von klassischer Musik und Breakdance gelang selten so nahtlos, so fulminant, längst gibt es einige ähnlich ausgerichtete Produktionen. »Das ist einerseits schmeichelhaft«, meint der Tänzer, »zeigt uns andererseits aber auch, dass die Konkurrenz nicht schläft.«
Den Pionierstatus kann den Flying Steps aber keiner mehr nehmen. Dabei war es nicht unbedingt naheliegend, dass eine HipHop-Crew wie die Flying Steps mal im klassischen Metier wildert. Weil Rosemann und seine Kollegen aber nicht mal wissen, wie man Scheuklappe schreibt, wuchs irgendwann der Wunsch in ihnen, eine Tanzshow zu klassischer Musik zu kreieren. »Doch dafür brauchten wir jemanden, der uns diese Musik erklären konnte«, erinnert er sich. Diesen Part übernahm der Opernregisseur Christoph Hagel. Der wiederum, schmunzelt Rosemann, konnte so rein gar nichts mit Breakdance anfangen. »Also brachten wir uns unsere Welten gegenseitig nahe und entwickelten dann gemeinsam das Konzept. Er zeigte uns Parallelen zwischen Bachs Musik und unserem Tanzstil auf, die wir als Grundstein für die Choreografie nahmen.«
Man muss kein Bach-Kenner sein
Was den Flying Steps in die Tanzkarten gespielt haben dürfte, ist die Tatsache, dass Bach damals tendenziell Musik für jüngere Menschen gemacht hat – für die Revoluzzer- von damals, sozusagen. »Das lässt sich natürlich wunderbar auf unseren Tanz übertragen.« Beeinflusst von Breakdance und der frühen HipHop-Kultur Amerikas ist auch der ein Symbol der Freiheit, der Abgrenzung vom Mief konservativer Zustände. Bei »Flying Bach« fließt all das zu einer temporeichen, dynamischen, eleganten und spektakulären Show, die alles andere als ein Bildungsauftrag ist und einem dennoch auf ungewöhnliche Weise mit Bachs wunderbarer Musik vertraut macht. »Wir erklären Bach mit unserem Tanzstil«, so Rosemann. »Deshalb muss man auch kein Bach-Kenner sein, um die Show zu genießen. Einfach hinsetzen und mitnehmen lassen.« Christopher Sturm
Red Bull Flying Bach Sa. 18. Juli um 18 und
21 Uhr, So. 19. Juli um 18 Uhr, Liederhalle, Stuttgart, www.musiccircus.de